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So feiert man Ostern in Bolivien

Die Hauptfeiertage der "Semana Santa" (heilige Woche) beginnen am 29.März und enden am 1. April.

Am Donnerstagmorgen (Jueves Santo - Gründonnerstag) begleiteten wir die Kinder mit in die Schule. Jedes Kind war als eine Person der Geschichte von Jesus Tod verkleidet und alle waren schon ganz aufgeregt, denn an diesem Tag würden sie gemeinsam mit einem Priester durch die Straßen ziehen. Wir halfen den Lehrern verschiedene Stationen auf der Straße aufzubauen, die mit Blumen, Bildern und Kreuzen geschmückt wurden. Die Stationen sollten den Leidensweg von Jesus darstellen, mit jeder Station kommt man seinem Tod ein Stückchen näher.

Mit der ganzen Schule zogen wir von einer Station zur nächsten (insgesamt waren es 12), sangen, bedankten uns bei jeder Station für eine bestimmte Sache, sprachen das Vaterunser mit dem Priester und ein paar Kinder spielten jedes Mal einen Teil der Geschichte vor. Sämtliche Nachbarn kamen aus ihren Häusern um an der Zeremonie teilzuhaben und Fotos zu schießen. Nicht nur Schulen, auch das Militär oder Universitäten veranstalten am Donnerstag (und Freitag) zahlreiche Paraden in der Stadt.

Am Donnerstagnachmittag kamen mir schon zahlreiche Menschen mit geflochtenen Palmenblätter in der Hand entgegen, die sich ihren Weg durch die Fülle der Menschenmassen bahnten, um in der Kirche mit einer Messe den Beginn der Semana Santa zu zelebrieren. Die Palmwedel erinnern an Jesus Ankunft in Jerusalem, werden in der Kirche gesegnet und später in den Häusern aufgehangen. Sie sollen Glück und Gottes Segen bringen. Es gibt sie haufenweise auf den Straßen zu kaufen.

Am Donnerstagabend starteten zahlreiche Bolivianer einen „Kirchenmarathon“ und besuchten die katholischen Kirchen der Stadt. Der Tradition nach sollen es 12 Kirchen sein, um an Messen teilzunehmen, zu beten und zu singen. Mit diesem Rundgang verfolgen sie das Motiv der 12 Apostel.

Der Tag, an dem die Bolivianer feiern, ist nicht der Ostersonntag, sondern der Karfreitag. Am Freitagmorgen verlassen alle Traditionsgetreue und Gläubige schon vor dem Sonnenaufgang mit ihrer besten Kleidung das Haus, um den Berg mit der Christusstatue in Cochabamba zu besteigen. Jede Stadt in Bolivien hat solch einen Berg, auf dessen Spitze man eine Jesusstatue oder anderes Repräsentatives findet. Auch der Weg zum Christus ist in Stationen eingeteilt und stellt somit den Leidensweg Jesus dar. Mit dem Sonnenaufgang und dem Gedanken den neuen Tag und die neue kommende Zeit des Lebens zu beginnen, machen sich die Leute auf den Weg, in Gedenken an Jesus Christus. Dabei haben sie oft ihre beste Gemüse – oder Obsternte, sowie auch Getränke im Gepäck, um sie am Fuße des Berges sowohl für Jesus, als auch für Pachamama als Opfergabe abzulegen. Während des Anstiegs erleben sie die Geschichte intensiv mit, machen bei jeder Station einen Halt und werfen einen Stein, um ihre Sünden symbolisch wegzuwerfen. So dauert es zwei Stunden, bis alle Menschen oben angekommen sind, um zu singen und zu feiern. Mit diesem Gebrauch drücken sie ihren tiefen Glauben und ihre Verbindung zu Christus aus. Des Weiteren wollen sie sich damit für ihr Leben, für ihr Glück und für ihre Gesundheit bei Jesus und bei Pachamama bedanken.

Das gleiche Motiv der 12 Apostel taucht am Freitag nochmals auf. Denn an diesem Tagen essen sie traditionsgemäß 12 verschiedene Gerichte. Allerdings wird an diesem Tag kein Fleisch gegessen, weil es ein Symbol der Buße ist Fleisch zu essen.

Die Tante von Ana, unserer neuen Ansprechpartnerin unserer Organisation hier in Cochabamba, und ihre Oma luden uns zum Familienessen zu sich nach Hause ein. Wir waren 15 Personen, einige davon waren auch schon mal in Deutschland. Die ganze Familie ist weltoffen und begeistert von einem Kulturaustausch - die Tante von Ana (Isabel) hat selbst ein Freiwilligenjahr in Holland verbracht und auch die Oma von Ana hat jahrelang für unsere Organisation ICYE gearbeitet, so wie Ana jetzt. Mit offenen Armen haben sie uns empfangen und wir haben uns sehr wohlgefühlt. Zum Essen gab es neben Suppe und Nachtisch noch viele weitere Gerichte, ich glaube, es waren tatsächlich 12. Das Hauptgericht war die „Papa Lisa“, das Essen war wirklich gut. Anschließend haben wir gemeinsam abgespült, geredet und viel gelacht.

In ländlichen Gebieten Boliviens gibt es in der Nacht von Karfreitag auf Samstag eine besondere Tradition, die „Kespiyariña“ genannt wird. Die Tradition besteht daraus, abends nach dem Tod Jesu dem Nachbarn eine Kuh, ein Lama oder ein Schaf zu stehlen. Der Raub wird allerdings nicht der Polizei gemeldet, da dies unter den Bolivianern als legal angesehen wird. Der Grund dafür ist, dass Jesus bis Sonntag nicht unter den Lebenden ist, um böse Taten zu bestrafen. Verrückt oder?

Ursprünglich wird am Morgen des Ostersonntag ein Schaf an Jesus und ‚Pachamama‘ (Mutter Erde) geopfert, um die ‚Semana Santa‘ abzuschließen, diese Tradition besteht aber nur noch in wenigen Familien. In unserem Projekt haben die Kinder, genau wie in Deutschland, Süßigkeiten im Garten gesucht und selbstbemalte Eier gegessen.

Das Besondere an diesem Tag war, dass es keine Autos und Motorräder auf den Straßen gab. Der sogenannte "Día del Peatón" (=Fußgängertag). Einen solchen Tag gibt es dreimal im Jahr in Cochabamba und soll auf die Umwelt und den Klimawandel aufmerksam machen. In dem Schrank in Lauras Zimmer haben wir zwei Skateboards entdeckt, die wir uns direkt unter den Arm geklemmt haben und losgezogen sind. Es war echt ein komplett anderes Feeling ohne Autos, die Straßen wirkten viel belebter und alles war ruhiger und entspannter. Ein perfekter Tag für uns Skateboard-Anfänger ;-)...


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