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Carnaval de Oruro - unvergesslich!!!

Ups.. schon zwei Wochen her, kommt mir aber vor, als wäre es gerade erst gewesen - so beeindruckt bin ich nach wie vor. Gerade mich aus Hamburg, wo der Karneval so gut wie überhaupt nicht gefeiert wird, hat es sofort von den Socken gehauen. Der Karneval in Oruro zieht nicht nur Turisten an, auch Einheimische aus allen Städten Boliviens machen sich auf den Weg, um eines der schönsten Wochenenden im Jahr zu feiern. Dementsprechend begehrt sind auch die Bustickets, so dass Laura und ich uns nur schwer noch welche erkämpfen konnten.

Die erste Information bekamen wir von einem Teamer unserer bolivianischen Partnerorganisation ICYE (Luciano): Wir sollten die Bustickets am besten schon zwei bis drei Tage vorher kaufen. Die Betonung liegt auf SCHON, da man die Bustickets hier in Bolivien gewöhnlich erst am Reisetag kauft, im Voraus ist das eigentlich nicht möglich. Eigentlich. Karneval sollte eine Ausnahme sein. Laura und ich sind also zwei Tage vor Abreise zum Busterminal, um zu erfahren, dass leider auch an Karneval keine Ausnahme gemacht wird...Wieder Zuhause angekommen, riet uns eine Mitarbeiterin von unserem Projekt (Gisela) auf jeden Fall am Freitag, unserem Abreisetag, ganz ganz früh zum Busterminal zu fahren, um Karten zu kaufen, da es ziemlich voll werden würde. Laura und ich sind also schon um halb 7 Uhr aufgestanden, haben uns irre beeilt, weil wir Angst hatten schon zu spät dran zu sein, um dann um kurz nach halb 8 Uhr am Terminal zu erfahren, dass man die Tickets doch erst am Mittag kaufen könne. Ufff, zweites Mal umsonst dagewesen. Mit voller Überzeugung, endlich ein Ticket für den Bus um 15:30 Uhr zu bekommen, kamen wir gegen 13:00 Uhr am Terminal an. Ein bisschen verarscht kamen wir uns dann vor, als plötzlich keine der Busgesellschaften mehr Tickets für diese Zeit hatte und uns auch niemand genau sagen konnte, wann der nächste Bus fahren würde. Nachdem wir 4 Stunden am Schalter auf den Verkauf gewartet und uns schon ausgemalt haben am Terminal zu übernachten oder überhaupt nicht mehr nach Oruro zu fahren, waren wir unglaublich froh, als wir gegen 17:15 Uhr endlich noch zwei Tickets für einen Bus um 18:00 Uhr bekommen haben...

Nach 6 1/2 Stunden Busfahrt wurden wir von dem Cousin von Luciano (Teamer von ICYE) und seinem Golden Retriever abgeholt, da die anderen Freiwilligen aus Sucre und La Paz noch nicht angekommen waren. Der gastfreundliche Cousin bot uns Coca-Tee (damit wir die Höhe von über 3.700 Metern gut überstehen würden) und ein Bett an. Wir waren unglaublich dankbar für ein paar Stunden Schlaf, denn uns war schon bewusst, dass Schlaf in den nächsten Tagen eine untergeordnete Rolle spielen würde.

Gegen 9 Uhr morgens wurden wir von Luciano abgeholt und zum Apartement gebracht, wo die anderen Freiwilligen uns schon erwarteten. Das Apartement bestand aus zwei größeren Zimmern, in dem einen kamen andere Bolivianer unter und in dem anderen lagen ca. 20 daumendünne Isomatten für uns bereit. Außerdem gab es neben einem Freiluftwaschbecken eine Toilette für alle zusammen, ohne Toilettenpapier und zeitweise völlig verstopft, was bei ca. 30 Personen tatsächlich problematisch werden kann.

Dazu muss man sagen, dass die öffentlichen Toilettengänge auch jedesmal ein Abenteuer sind. Man bezahlt 1 Boliviano (=12 Cent), bekommt ein Stück Toilettenpapier in die Hand gedrückt und darf danach in eine der winzigen Kabinen, die sich meistens in irgendwelchen Hinterhöfen befinden. Anschließend schöpft man mit einem Gefäß etwas Wasser aus einer Regentonne, um zu spülen.

Okay, zurück zum Karneval ;-)

Nach ein paar Tucumanas, Empanadas und Salteñas (verschiedene Teigtaschen) zum Frühstück, erreichten wir unsere Plätze auf der Tribüne und bekamen rote Jacken in die Hand gedrückt mit der Aufschrift "La Comparsa" (= eine Gruppe, die tanzt), die einerseits den Wiedererkennungswert steigern und uns vor Wasserbomben und Schaum schützen sollten. Es war nämlich unmöglich nur ein paar Meter die Parade entlang zu laufen, ohne dass man von allen Seiten von einer weißen Fontäne überrascht wurde.

Müsste ich den Karneval in ein paar Worten beschreiben, würde ich sagen: BUNT, FRÖHLICH, TRADITIONELL.

Aber weshalb wird der Karneval in Bolivien überhaupt gefeiert?

Eigentlich ist der Karneval von Oruro ein religiöses Fest, das zu Ehren der "Virgen del Socavón" (=Jungfrau der Bergwerksstollen) veranstaltet wird. Er besteht nach wie vor aus vielen Elementen der indigenen Völker aus den Anden. Es gibt eine große Figur der Virgen in Oruro (45 Meter hoch), die wir natürlich auch besucht haben (siehe Bilder). Seit 2001 zählt der Karneval von Oruro zum Unesco- Weltkulturerbe.

Schon am Gründonnerstag wird der Pachamama (Quechua: "Mutter Welt") und den Achachilas (Gottheiten für Wind, Regen und Eis) gedankt. Außerdem ist man dankbar für die Ernte des letzten Jahres und bittet für eine gute Ernte im kommenden Jahr. Hauptsächlich nehmen an der Zeremonie Indigene teil.

Der eigentliche Karneval beginnt erst am Samstag vor Rosenmontag (Faschingssamstag) und dauert drei Tage. Am Karneval nehmen derzeit 48 Tanzgruppen teil. Diese tanzen 18 verschiedene Tänze, die bekanntesten davon sind Diablada, Morenada, Caporales, Tobas, Tinkus und Pujllay. Zu jeder Tanzgruppe gehört eine Musikgruppe. Die Gruppen starten in der Nähe des Busbahnhofes in Oruro und beenden ihren Umzug in der Kirche, der "Iglesia del Socavón". Der Umzug hat eine Länge von ca. 3 km.

Am ersten Tag (Samstag) wird für die "Virgen del Socavón" getanzt. Es gibt viele Teilnehmer, die ihr schwören, mindestens drei Jahre am Karneval teilzunehmen, im Gegenzug können sie sie um etwas bitten. Es gibt viele Teilnehmer, die wirklich jedes Jahr am Karneval teilnehmen.

Am zweiten Tag (Sonntag) wird für den Dios Momo ("Gott des Spaßes") getanzt. Gegen vier Uhr morgens treffen sich alle Musikgruppen ("bandas") auf dem Platz vor der Kirche zum Gruß an die Sonne ("Saludo al Sol"), wird auch "el Alba" genannt. Mit der aufgehenden Sonne beginnen alle Musikgruppen gleichzeitig die Melodie ihrer Tanzgruppe zu spielen.

Generell wird an diesem Tag wird einiges entspannter gesehen, die Organisation ist lockerer und auch der Konsum von Alkohol ist gestattet. An diesem Tag haben wir tatsächlich einen Unterschied gemerkt, die Menschen waren wesentlich unbeschämter, tanzfreudiger und offener, Regeln gab es nicht mehr wirklich. Jeder hat mit jedem sein Bier geteilt, alle haben miteinander gesungen, wir durften trommeln, mittanzen, Hüte aufsetzen, Fotos schießen, die Tänzer haben uns Kleinigkeiten ihrer Kostüme geschenkt (so besitze ich jetzt zum Beispiel einen Schal, bzw Gürtel vom "Tinkus"-Kostüm) und zu guter Letzt kam sogar einer aus einer Musikgruppe einfach zu uns hoch auf die Tribüne und hat mit uns getanzt.

Der Rosenmontag und damit der letzte Tag des Karnevals ist ausschließlich Diablada und Morenada gewidmet. Die Tanzgruppen treffen sich auf dem Platz vor der Kirche. Tanzend gehen sie in die Kirche und verabschieden sich von der Virgen. Sie bedanken sich für ihre Unterstützung und bitten um Kraft und Erfolg für das kommende Jahr. Der Karneval endet damit, dass am Abend jede Gruppe noch für sich feiert.

All diese Eindrücke waren so wundervoll, die aufwendigen, bunten Kostüme, traditionellen Tänze, von denen jeder eine eigene Bedeutung hat, die Live-Musik, die freudigen Gesichter der Menschen... all das sind Erinnerungen, die ich mein Leben lang behalten werde.

Aber auch an Karneval war nicht nur alles gut.

Es gab ein Unglück am 10. Februar. Bekanntlich gibt es in Bolivien unglaublich viele Stände auf den Straßen, an denen man günstig Essen kaufen kann. Und genau an einem solchen mobilen Imbissstand kam es zu einer Explosion. Zuerst dachte man die Ursache wäre Flüssiggas, mittlerweile geht man davon aus, dass jemand mit Absicht Dynamit gezündet hat, da es wenig später eine zweite Explosion gab. Diese Explosion kostete ca. 20 Menschen das Leben, unter den Toten waren auch Kinder.

Aus diesem Grund und auch wegen der heftigen Überschwemmungen in Tiquipaya, einem Dorf, welches wir vor ein paar Wochen sogar noch besucht hatten, von denen sogar in Deutschland in den Nachrichten berichtet wurde, ist der "Corso de Corsos", der Karneval hier in Cochabamba, verschoben worden. Deshalb und aus Angst vor einem weiteren Unglück haben leider kaum Menschen teilgenommen.

Sehr sehr schade, aber wir hatten das Glück eine einzigartige Erfahrung in Oruro mitzunehmen.

In Gedenken an die Opfer der beiden Katastrophen, bin ich einfach unglaublich dankbar dafür, dass es uns allen gut geht.

P.S.: Videos und weitere Infos folgen so schnell wie möglich!

Ganz liebe Grüße aus Cochabamba!


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